Die dürftigen Schneeverhältnisse werden es zulassen, die ersten 6 Etappen der Via Alta Vallemaggia. Am Dienstag noch schnell die Unterkünfte reserviert, wir sind am Samstag noch zu Hause am z'Mörgele als das Handy klingelt. Claudio von der ersten reservierten Hütte auf der Cardada ruft ganz aufgeregt an, er habe die Reservation erst heute morgen erhalten, ganz viele Leute heute tagsüber, nicht vorbereitet, kein warmes Wasser, ... so geht das ca. 15 Minuten weiter ehe ich ihn unterbreche. Hat er lieber dass wir kommen oder nicht? Claudio bietet an, auf der Cimetta anzurufen ob da noch eine Übernachtung möglch ist. Ein Viertelstunde später die telefonische Bestätigung, wir übernachten auf der Cimetta, und Claudio übernimmt das Apéro.
Nach etwas Flanieren in Locarno fahren wir per Bahn, Seilbahn und nostalgischer Seitwärts-Sesselbahn hoch auf die Cimetta, und sind die einzigen Gäste. Das z'Nacht ist fein, dann drückt uns der Wirt die Schlüssel in die Hände, erklärt wo wir das z'Morge finden und haut ab. Wir geniessen einen herrlichen Abend!
Wir sind noch nicht lange unterwegs, als Carola in kurzer Distanz voraus 2 Birkhühner entdeckt, ein seltener Anblick.
Heute ist ein Gipfelfestival angesagt, gleich 6 sind es, ohne allzu viele zusätzlichen Höhenmeter. Und wir sind ja noch fit, am Anfang unserer Tour. Immer wieder fällt der Blick zurück zum Lago Maggiore und ins Maggiatal. Und im Westen sehen wir die Walliser Viertausender Alphubel, Täschhorn, Dom, Weissmies, Monte Rosa mit Dufourspitze.
Wir erreichen die Alpe Nimi zeitlich und relaxen entsprechend, eine der letzten bestossenen Alpen des unteren Maggiatals. Die junge Älplerin Estelle schaut mit ihren Helfern zu den 150 Ziegen, 50 davon werden jeweils am Morgen auf der Weide gemolken. Zum Apéro werden wir üppig verwöhnt mit Salami und Ziegenkäse. Auch das Nachtessen mit selbstgemachten Nudeln, Luganighetta und zum Dessert Ziegen Pannacotta schmeckt herrlich.
Spät abends und völlig kaputt trifft dann noch Simon ein, ein junger Deutscher mit überdimensioniertem und gut gefüllten 50 Liter Rucksack, der deutlich über seinen Kopf ragt.
Wir beobachten noch ein wenig die Ziegenmelker ehe wir uns auf die kürzeste Etappe begeben.
Einen etwas ausgesetzten verblockten Grat mit einigen Kletterpartien zu Überqueren macht Spass, bevor wir auf dem nächsten Gipfel stehen. Immer wieder sehen wir die Walliser 4000er, teilweise sogar die höchsten Berner. Wir nehmen auch wieder 2 Gipfel mit, es sollen die letzten sein.
Die Alp Masnee existiert seit 1425, wird aber nicht mehr bestossen. Die alten Häuser wurden in vielen Stunden Frohnarbeit unter Bewahrung der ursprüngliche Bausubstanz wiederhergestellt. Heute dient sie als Rastplatz für Leute wie wir, ist nicht bewartet, aber mit haltbaren Lebensmitteln ordentlich versorgt.
Auch Simon taucht wieder auf, zudem Daniel, ein lustiger Deutscher der sein Arztpraktikum in Thun soeben beendet hat, und ein Deutscher Arzt mit seinen beiden schulplichtigen Töchtern. 2 Schlafhäuser stehen zur Verfügung, eines für die Deutschen, eines für die Schweizer ;)
Wir sind jeweils die Frühstarter, die anderen lassen sich deutlich mehr Zeit am Morgen. Ausser heute, Simon hat hohen Respekt vor der heutigen Etappe und zieht los während wir noch lange auf den Kaffee aus der Bialetti warten.
Der Höhenweg ist wiederum ein Genuss bei tollem Wetter, wenn auch teilweise etwas ausgesetzt. Kurz vor der Alpe Cuasca, etwa auf halber Wegstrecke schliessen wir zu Simon auf, er ist ziemlich kaputt und plant hier zu Übernachten, wir verabschieden uns. Weiter geht's Richtung Passo dei Due Laghi zur toll erneuerten Alpe Spluga, Selbstversorgung. Nach langem Apéro, wir staunen, erscheint Simon, diesmal völlig kaputt. Eine Cola bei der Cuasca hat ihn aufgeputscht und zum Weitergehen animiert. Noch viel später, wir haben schon unsere Teigwaren gegessen, erscheinen Daniel, eine Frau mit Hund und 2 Österreicherinnen, und wir zweifeln dass der Vater mit seinen Kids die Strecke schafft. Wir täuschen uns, nochmal deutlich später erscheinen diese doch noch, nehmen die Küche in Beschlag und setzen Dusche / WC unter Wasser.
Diese Etappe ist deutlich anspruchsvoller, T5. Zwischen Nebelschwaden steigen wir hoch zur Bocchetta del Sasso Bello. Auf der anderen Seite geht's schier überhängend ein Steinschlag gefährdetes Couloir lange runter, anspruchsvoll. Danach weiter über endlose Blockfelder, zwischendurch kommen ausgesetzte Kraxelstellen, Konzentration ist auf der ganzen Strecke nötig. Nach dem Passo di Chènt hören wir wieder mal Gebimmel, diesmal von Schafen, und die Landschaft ist weniger abweisend. Wenig später kommt auch der Lago di Tomé in Sicht und bis zur bewarteten Capanna Tomeo ist's nun nicht mehr weit.
Wir werden überschwänglich begrüsst und freuen uns auf mal was anderes als Teigwaren. Die Hütte ist top, die beiden Gastgeber sehr herzlich, haben aber mit Kochen nicht das geringste am Hut. Es gibt Teigwaren ohne Sauce und ohne Käse, dazu harte trockene Pouletbrust. Die beiden Damen aus Österreich haben vegi, also gibts bei denen nur trockene Teigwaren. Die Gastgeber versprechen uns aber, dass es auf der nächsten Hütte, der Barone (wieder Selbstversorger), Rösti im Angebot hat.
Diese Etappe ist geprägt von steilen Aufstiegen und der prachtvoll blühenden Natur, hoch über dem Maggiatal. Wir passieren den Passo Rédorta, den "bequemsten" Übergang zwischen Maggia- und Verscascatal in dieser Gegen zwischen Monte Zucchero und Pizzo Campo Tencia. Er wird seit 1600 begangen und es ist historisch belegt, dass die Einwohner beider Täler diesen benutzten um sich auszutauschen und Aktionen gegen die Herren aus Locarno zu organisieren. Man sprach auch vom Pass der Brautleute, denn der Pass bot die Gelegenheit zum gegenseitigen Kennenlernen und damit die riskanten Folgen der Inzucht zu minimieren.
Die Alpe Barone liegt dann auf der Vercasca Seite. Und tatsächlich, hier hats Rösti im Angebot. Da wir uns aber in der Zwischenzeit an Teigwaren gewöhnt haben bleiben wir bei denen, Carola's Version ist um Welten besser als die gestrige. Hier erscheint auch nochmals Daniel, als letzter unserer "Hüttengefährten", die anderen sind alle irgenwo ins Tal abgestiegen.
Die länste Etappe: 1200m Aufstieg, 2100m Abstieg auf 14km, für uns ganz schön happig nach all den Stunden in den Beinen der vergangenen Tage.
Der Weg führt vorbei an der Sovéltra Hütte. Diese war sowas wie die Initialzündung zur Erstellung der Via Alta vor gut 10 Jahren, wurde aber 2017 durch einen Brand zerstört und noch nicht wieder aufgebaut. Von dort geht's hoch zum Passo Fornale, dann wiederum sehr steil runter zum idyllischen Lago die Mognola und weiter nach Fusio.
Hier habe ich das Hotel Fusio reserviert, wir geniessen und lassen uns verwöhnen, ohne Teigwaren diesmal. Morgen geht's dann in endlosen Kehren mit den ÖV runter ins Tal und nach Hause, in die herrschende Bruthitze.
Wir haben die ersten 6 Etappen der Via Alta hinter uns, diverse Gipfel bestiegen, mehrere Pässe überquert und waren mehrheitlich auf blau-weissen Pfaden unterwegs. Der Schwierigkeitsgrad liegt im Bereich T4 / T5. Dabei haben wir in total 38 Stunden 60 km zurück gelegt, sind 6850 Meter auf- und 7200 Meter abgestiegen. Das Wetter hat toll mitgespielt.
Was bleibt hängen:
- Herrliche Landschaften und Alpen, schöne Streckenführung
- Die alten Alpen wurden zu super Unterkünften umgebaut und haben einen neuen Sinn erhalten.
- Einsam unterwegs, während den Wanderungen haben wir kaum Leute getroffen, abends auf den Alpen dann teilweise mehrmals dieselben, das ergab lustige Begegnungen.
- Ziegenalp Nimi, sollte mehr dieser Art geben.
- Für nächstes Jahr bin ich schon wieder am Planen.